Kundenerfahrung und Kundenbindung – Quo vadis Marketing

Es ist schon interessant zu sehen, wie lange es gedauert hat, bis die Bedürfnisse des Kunden die Aufmerksamkeit der Marketer erreicht hatten. Noch vor 25 Jahren hatte das push-mediale Zeitalter das Zepter in der Hand und der Kunde fristete in der Marketingwelt weitgehend ein inaktives Dasein. Neben den klassischen Medien wie Fernsehen, Radio und Print, entwickelten sich in den folgenden Jahren – wenn auch noch sehr skeptisch beäugt – die digitalen Medien und das push-orientierte Online-Marketing. Amazon und Ebay bereiteten den Weg des E-Commerce, Google und Bing setzten neue Standards in der Bereitstellung von digitalen Informationen und Apple revolutionierte den Markt mit seinem iPhone. Soziale Medien wie Facebook und Twitter, sowie zahlreiche Vergleichsportale und Bewertungsplattformen, waren die Pioniere des konnektiven Zeitalters und gaben den Konsumenten eine Stimme. Dies war die Geburtsstunde einer völlig neuen Customer-Experience, die im Laufe der letzten 10 Jahre einen massiven Einfluss auf die Customer Decision Journey und somit auch digitale Leadgenerierung, genommen hat. Ein spannendes Thema, das bisher viel zu wenig Beachtung in der digitalen Welt gefunden hat. In unserem Blog werden wir uns mit der Geburtsstunde der „kritischen Momente“ in der Customer Journey befassen und auf die Veränderung des Kaufverhaltens eingehen. Auch werden wir einen kurzen Blick auf das konnektive Kaufverhalten und den Zero Moment of Truth werfen und Dir zeigen, wie Du mit Empathie-Marketing neue Wege gehen kannst und für Dich und Deine Kunden die Kundenerfahrung und Kundenbindung

Die kritischen Momente der Customer Journey

A.G. Lafley, CEO von Procter & Gamble hat im Jahr 2006 das Kaufverhalten von Kunden analysiert. Er kam zu dem Ergebnis, dass es zu diesem Zeitpunkt zwei kritische Momente in der Customer Journey gab. Der erste kritische Moment, den er auch als „First Moment of Truth“ bezeichnete, bezog sich auf den eigentlichen Kaufakt, bei dem der Kunde zwischen mehreren Alternativen eine Kaufentscheidung treffen musste. Die anschließende Prüfung oder eher Nutzung des Produktes, der sogenannte „Second Moment of Truth“, entschied dann, ob der Kunde die richtige Kaufentscheidung getroffen hat.
Wurde die Erwartungshaltung des Kunden erfüllt, erlebte er diesen Moment als positiv. Wurde die Erwartungshaltung nicht erfüllt, so hatte der Kunde ein negatives Erlebnis. Je höher die Kundenzufriedenheit also ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, das Produkt wieder zu kaufen oder sogar weiterzuempfehlen. In diesem sogenannten prä-konnektiven Zeitalter wirkten auf den Kunden, vor allem bei extensiven Kaufentscheidungen, drei wesentliche Kräfte ein: Die Affinität zum Produkt und dessen Produkteigenschaften, die Stärke der Marke sowie die Kommunikationsmaßnahmen, die Produkt und Marke ins Bewusstsein der Kunden brachten.

Konnektives Kaufverhalten und der Zero Moment of Thruth

Zero moment of Truth (ZMOT)

Nur fünf Jahre nach A.G. Lafley´s Analyse erweiterte sich die Customer Journey um einen weiteren kritischen Moment, den „Zero Moment of Truth“, kurz ZMOT genannt.

Jim Lecinski, Googles Vizepräsident U.S. Sales and Service, erwähnte den “Zero Moment of Truth” zum ersten Mal 2011 in Googles E-Book „ZMOT Handbook: Ways to win shoppers at the Zero Moment of Truth“. Dieser ist auf die gezielte Suche nach Informationen im Internet zurückzuführen und stellt oftmals den ersten Touchpoint in der Customer Journey dar. Diesen Moment hat Google den Zero moment of Truth (ZMOT) genannt.

Die Konnektivität fördert den Austausch mit der digitalen Community. Die Bewertungen, Inspirationen und Tipps von anderen Usern werden als Empfehlungen empfunden. Dies finden auf einer gleichen Beziehungs-Ebene statt, die ein wesentlich größeres Vertrauen in sich birgt.  Somit bildet, neben den Produkteigenschaften, den werblichen Kommunikationsmaßnahmen und der Marke, der Austausch mit der digitalen Community ein zentrales Element für zukünftige Kaufentscheidung. Die persönliche Entscheidung wandelt sich in eine soziale Entscheidung. Da in vielen Fällen der Kunde auf die Meinungen und Erfahrungen sozialen Umfeldes zurückgreift, besteht somit die Gefahr, dass er eine andere Alternative wählt. Dieser Effekt hat sich in den letzten Jahren extrem verstärkt und Kundenbewertungen sind das neue „werbliche Gold“, um Produkte und Dienstleistungen authentisch zu positionieren.

Customer Experience und Customer Engagement und userfreundliche Websites

Stimmt die Kundenerfahrung, wird der Kunde gerne an die Marke gebunden. Denn ein Kaufentscheidungsprozess ist, wenn auch nicht bewusst, oftmals eine hohe kognitive Leistung. Gerade bei komplexen und hochpreisigen Produkten oder bei Produkten und Dienstleistungen, die dem Kunden sehr wichtig sind oder die aufgrund eines neuen Bedürfnisses entstehen, kann der Kaufentscheidungsprozess sehr langwierig und schwierig sein. Und unterbewusst steigt die Angst, eine Fehlentscheidung zu treffen. Eine positive Kundenerfahrung an allen relevanten Touchpoints der Customer Journey mindert den kognitiven Aufwand und gibt dem Konsumenten die Sicherheit, die richtige Entscheidung zu treffen.

Einer der ersten Touchpoints bei der Suche im Internet sind die Suchergebnisse in Google oder Bing. Dies erreichst Du über eine professionelle Suchmaschinenoptimierung oder über Ads-Kampagnen. Entscheidet sich der Websitebesucher für Deine Seite ist das eine große Chance, ihn von Deinen Produkten oder Deinen Dienstleistungen zu überzeugen. Metaphorisch gesagt wird er durch den Klick auf Deine Seite aus dem Chaos des World Wide Web befreit und Du solltest ihm das Gefühl geben, dass er die richtige Wahl getroffen hat, um seinen kognitiven Aufwand möglichst gering zu halten. Dies erreichst Du durch eine einfache Benutzerführung, die prägnante Darstellung aller Informationen sowie Entscheidungshilfen wie beispielsweise, Kundenbewertungen oder Leadmagneten zum Download. Wichtig ist, dass sich ein potenzieller Kunde wohlfühlt, seine Bedürfnisse berücksichtigt werden und er nicht das Gefühl bekommt zum Kauf gedrängt zu werden. Weiterhin hat Google die „Core Web Vitals“ als Messinstrument ins Leben gerufen, mit dem Du die Kundenerfahrung besser einstufen kannst.

Google Core Web Vitals & Co – Customer Experience einfach verbessern

Google Core Web Vital Grafik

Seit Juni 2021 nutzt Google die „Core Web Vitals“ als Ranking-Faktor. Sie sind derzeit ein heißes Thema in der SEO-Community. Im letzten Blog haben wir diese intensiv behandelt. Die „Core Web Vitals“ stehen im engen Bezug zu der Nutzererfahrung und sind neben Mobile Friendly, HTTPS und aufdringlichen Popups, Banner oder Overlays, Teil der neuen Page-Experience-Signale. Die Beachtung aller 5 Signale führen zu einer besseren Benutzererfahrung und somit Teil einer stärkeren Kundenbindung.

Mit Empathie neue Wege gehen.

Natürlich ist heute das Konsumentenverhalten durch Tracking-Systeme, Marketing-Automation und CRM-Systeme weitgehend messbar. Wir denken aber, dass alle Messungen nur eine Basis bilden, um Kunden zu clustern und diese zur richtigen Zeit, am richtigen Ort anzusprechen. Um aber eine gute Kundenbindung zu erreichen, bedarf es mehr als Algorithmen und Daten. Empathie-Marketing ist hier das Schlagwort, das einen neuen Weg der Kundenbindung einschlägt. Im digitalen Zeitalter kommen wir also wieder an die Anfänge zurück und gehen zum ersten Mal eine ehrliche und authentische Kundenbeziehung ein. Wie dies im Einzelnen aussehen kann, zeigen wir in den folgenden Beispielen.

Gehe direkt mit Deinen Kunden in den Dialog

Marketer haben oft eine nebulöse Vorstellung von ihrer Zielgruppe und versuchen durch passende Persona-Modelle, reale Kunden abzubilden. Allzu oft sind die Vertriebsmitarbeiter und der Support die einzigen, die mit Kunden live in Kontakt treten. Hier muss ein direkter Austausch zwischen Marketing und Vertrieb stattfinden oder eine direkte Befragung der Kunden erfolgen. Face to Face ist die Devise, um ihre Kunden besser kennenzulernen. Das Kundenverständnis wird von Unternehmen oft als selbstverständlich angesehen. Hier einmal einige Fragen, die Du an Deine Kunden richten solltest:

  • Wie stehen Sie zu unseren Produkten und Dienstleistungen?
  • Sind unsere Preise fair?
  • Wie war Ihr Kaufprozess?
  • Was ist Ihr größtes Problem, Ihr größter Wunsch?
  • Welche Trends sehen Sie in unserem Markt?
  • Wenn Sie morgen CEO unseres Unternehmens wären, was würden Sie verändern?
  • Was haben Sie bei der ersten Suche in Google eingegeben?
  • Welche Fragen sind noch offengeblieben?

Nutze Kundengespräche, um zu verstehen, was Deine Kunden interessiert

Anstatt sich Sorgen zu machen, ob Du für Deine Kunden interessant bist, müssten Du Dich zuerst für Deine Kunden interessieren. Dein Ziel sollte es sein, die Motivation Deiner Kunden zu verstehen und sicherzustellen, dass sie mit dem übereinstimmt, was Du liefern kannst.
Am effektivsten ist es, aktiv mit Empathie zuzuhören, um die Welt bewusst zu verstehen und aus der Perspektive Deiner Kunden zu sehen. Vermeide, durch einen Filter zu „hören“, der durch Deine eigene Weltanschauung als Vermarkter gebildet wurde, und dränge dem, was Du hörst, nicht Deine vorgefassten Meinungen auf, da dies Deine Bemühungen, sich in die Lage Deiner Kunden zu versetzen, hemmt.

Kundenzentriert denken, um zu antizipieren, was sie von Dir wollen

Du musst von der Unternehmenslogik zum Kundendenken übergehen, denn Kunden möchten mit Menschen und Unternehmen zusammenarbeiten, die ihre Situation verstehen und darauf reagieren. Du musst lernen, ihnen aktiv zuzuhören, um ihre Situation und Sorgen zu verstehen. Im Kern geht es bei der Lead-Generierung wirklich um Beziehungen .
Wir fragen uns immer wieder, was passieren würde, wenn wir aufhören würden, Menschen als Leads zu behandeln, und sie stattdessen als Menschen oder zukünftige Kunden zu sehen. Was würde passieren, wenn wir uns in die Lage unserer zukünftigen Kunden versetzen könnten und unsere Botschaften aus ihrer Perspektive betrachten und versuchen zu fühlen, was sie fühlen. Dies ist gleichzusetzen mit einem Paradigmenwechsel von der Entmenschlichung (Leads) zu Vermenschlichung (Beziehung).

Final Thoughts über Customer Experience und Customer Engagement

Es scheint, dass wir endlich an einem Punkt angekommen sind, eine authentische Beziehung mit unseren Kunden eingehen zu wollen. Doch warum konnte dies nicht schon vor 25 Jahren erfolgen? Anscheinend musste der Kunde erst an Marktmacht gewinnen, um uns auf Augenhöhe begegnen zu dürfen. Wieder einmal folgt das Marketing erst dem Markt, wenn es durch die Marktverhältnisse dazu gezwungen wird. Das Ende des Push-Marketing ist nun eingeleitet und der aufgeklärte Kunde folgt dem Instinkt, auf die zu hören, die auf gleicher Ebene sind. Die Versuche der Marketer, Kunden durch Persona-Modell besser zu verstehen zu können und durch Tracking- und CRM-Systeme besser zu clustern, kommen an ihre Grenzen. Auch fühlen sich die Kunden durch Marketing-Automationssystemen eher belästigt und stehen der permanenten Penetration eher skeptisch gegenüber. Empathie-Marketing sollte hier zum Einsatz kommen, um den tatsächlichen Bedarf des Kunden nach authentischem Dialog besser abdecken zu können. Vielleicht sind wir endlich an einem Punkt angekommen, an dem die Digitalisierung der Leadgenerierung in ihre Schranken verwiesen wird und wir endlich anfangen, unseren Kunden auf Augenhöhe zu begegnen.